Welcome to Malaysia! Von Malaysiern und Malaysierinnen.

PLEASE TELL ME IF I DON'T SMILE
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Im Moment könnte ich über Dutzende Themen schreiben. Das spektakulär Unspektakuläre dieses Landes fasziniert uns und beruhigt mich von innen heraus mit einer tiefen Ausgeglichenheit und Freude. Wir leben jetzt fast 6 Wochen in Malaysia und mußten, dank Couchsurfing und der Gastfreundlichkeit der Malaysier, lediglich 4 Übernachtungen davon bezahlen. Wir sind gerne hier und gerne gesehen in Malaysia. Einem Land, dem es trotz vieler Bemühungen und finanzieller Aufwendungen noch nicht gelungen ist, den internationalenTourismus als eine eben bedeutsame Einnahmequelle, wie beispielsweise in Thailand, zu erschließen. Dabei hat das Land alles was ich zum Glücklichsein brauche. Schönes Wetter, Strände, Berge, Architektur und Geschichte reichen mir nicht. Malaysia hat all das zwar zu bieten, aber darüber, darunter, daneben und überhaupt überall verzaubert mich dieses Land mit seinem Essen und noch beeindruckender - wenngleich fast unmöglich - mit seinen Menschen. Ich habe mich in dieses Land vorrangig wegen seiner Bevölkerung verliebt. Einer durchaus problematischen Mischung von Menschen, die sich aus drei, mehr oder wenig, großen Mehr- oder Minderheiten zusammengesetzt. Den Hauptteil bilden dabei die Malayen, gefolgt von den Chinesischstämmigen und den Indern. Daneben finden sich unzählige kleine Minoritäten, die teils Malaysia, teils andere asiatische Länder als ihre Ursprungsheimat ansehen. Ein Melting Pot par excellence. Alle haben ihre eigenen Religionen, Traditionen und Hintergründe. Aber Malaysia ist ein Spannungsfeld in dem durch jahrhundertelange Erfahrung pragmatisch agiert und respektvoll miteinander umgegangen wird.
Geschichten über Geschichten kann ich bereits erzählen um eindrucksvoll die Freundlichkeit, Aufgeschlossenheit, Hilfsbereitschaft und das Interesse der Malaysier zu schildern. Jeden Tag kommt mindestens eine neue dazu. Ihr Inhalt, die Situation variiert, die Konklusion dabei ist immer dieselbe. Die Malaysier sind der Hammer. Als Soziologe bin ich hier voll in meinem Element und erforsche Tag ein Tag aus die Umgangsformen, das Verhalten, die gesellschaftliche Zusammensetzung, ja alles Erdenkliche, nur um die gewonnenen Hypothesen und Ergebnisse zu einer möglichen Antwort auf die große Frage "Warum sind die meisten hier so wunderbare Menschen?" zu schmieden. Theorien habe ich viele, zu deren Ausführungen bräuchte ich jedoch mindestens eine Stunde Redezeit. Lieber möchte ich einige "daily life"-Begebenheiten erzählen, um verdeutlichen warum es uns in diesem Land so gut gefällt. Eins möchte ich zuvor noch erwähnen. Der hohe Bildungsstand in Malaysia beeindruckt mich täglich und steht auf Augenhöhe mit dem der führenden Nationen Asiens. Die Menschen sind einfach reflektiert. Mit dem Unterschied, dass hier tatsächlich über den Tellerrand geschaut wird, was mir weder in meinem geliebten Japan, noch Südkorea, noch anderswo so und in diesem Maße aufgefallen wäre. Die Allgemeinbildung ist überdurchschnittlich, das vielseitige Interesse der Menschen ist allgegenwärtig. Die Neugier auf Neues scheint abgesichert durch ein Fundament der Furchtlosigkeit vor dem Fremden. Die Wurzel dafür liegt offensichtlich in der Verschiedenheit der Bevölkerung und der Notwendigkeit damit umzugehen. Wir fühlen uns angenommen als Menschen, nicht als bloße Touristen. Doch jetzt zu den eigenlichen Geschichten.
Der Supermarkt, ein von uns generell favorisierter Ort um die Kultur der Einheimischen kennen zu lernen, ist ein Hauptschauplatz zahlreicher netter Begegnungen. Wir sind gerade dabei Manggis oder Mangosteen (meine neue Lieblingsfrucht und "the Queen of fruits" liebevoll in Malaysia genannt) in unsere Plastiktütte zu packen, als sich ein älterer Herr zu uns gesellt, ebenfalls die Früchte prüft, dann jedoch uns in die Hand drückt, anstatt sie selbst einzupacken. Dazu erklärt er uns fachmännisch woran die Frischezustand der Frucht zu erkennen sei: am Stengel. Als unsere Tüte ausreichend gefüllt ist, bedanken wir uns verabschieden uns höflich.
Wir stehen an der Kasse, suchen unseren zuvor abgestellten vollen Einkaufskorb. Eine Kassiererin verschwindet gerade und wir versuchen ihr hinterher zu schreien, werden aber nicht gehört von ihr. Ein unbeteiligter Kunde in einer anderen Schlange beobachtet dies und brüllt die nun schon sehr weit entfernte Kassiererin auf malayisch zurück. Eine Selbstverständlichkeit. Spektkulär unspektakulär. Aufmerksam und hilfsbereit.
Beim Einsteigen in den Bus wird weder gekämpft wie in China, geprügelt und gebissen, wie in Vietnam, oder sich wie aus einer Mischung aus Armee und Gänsemarsch mit einem Meter Abstand zum Nächsten, wie in den USA, angestellt. Es wird sich einfach respektvoll verhalten, den Älteren geholfen, ohne dabei überkorrekt zu sein. So wunderbar normal.
Es ist die Regel, dass wir, wenn wir im Bus den Busfahrer darum gebeten haben uns bei der gewünschten Haltestelle zu benachrichtigen um aussteigen zu können, mindestens von 3 anderen Fahrgästen ebenfalls freundlich unterstützt werden. Oder andere Fahrgäste sehen unsere Planlosigkeit, fragen uns nach unserem Ziel und stehen daraufhin auf um den gesamen Bus zu durchqueren und den Busfahrer darüber zu informieren.
Gestern nahm uns ein Fahrer eines öffentlichen Busses gratis zu einer anderen Haltestelle mit um unsere Wartezeit zu verringern. Chihi und er kamen ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass die beiden in der gleichen japanischen Stadt gewohnt hatten. Daraufhin schaltete er sein Handy ein um Chihi seinen japanischen Lieblngssong zu zeigen. Um die Lautstärke zu erhöhen hielt er sein Mobiltelefon einfach an das Busmikrofon und der gesamte Bus hörte mit. Chihi sang dazu. Nachdem er uns hatte aussteigen lassen, schloß er die Türen und passierte hupend und winkend. Alltag.
Generell scheint die Hilfsbereitschaft der malaysischen Menschen keine Grenzen zu kennen. Das beste daran ist die Hilfsbereitschaft untereinander. Anfänglich bezog ich ihr zuvorkommendes Verhalten auf unseren Touristenstatus. Fehlanzeige. Die Menschen helfen sich grundsätzlich. All das geschieht aber nicht auf einer abgelegenen Südsee Insel oder in einem afrikanischen Dritte-Weltland, sondern in Malaysia, einem fortschrittlichen, (relativ) modernen Land unserer Erde.
Als wir in Ipoh, der Hauptstsadt Peraks, gerdade ein Foto vom kolonialen Bahnhof machten, schlenderte ein Mann vorbei und bot uns unaufgefordert an ein Foto mit uns beiden zu machen. Wir kamen ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass er ehrenamtlicher Mtarbeiter der ortsansässigen Gesellschaft für Tourismus ist. Wir fuhren mit seinem Auto durch halb Ipoh, tranken mit einheimischen Indern am Straßenrand scheußlichen indischen Yoghurt und dann kaltes, besser schmeckendes Sprite, bei seiner Familie zu Hause. Wir fuhren gemeinsam zum bekanntesten Tempel Ipohs und bestiegen den angrenzenden Berg um die fabelhafte Aussicht zu genießen, die er uns stolz erklärte. Wir diskutierten über Politik und die Gesellschaft und Gott und die Welt. Anschließend fuhren wir zu einem neu erschlossenen See und machten eine Gratisbootsfahrt darauf, da er die Angestellten kannte, wie scheinbar ganz Ipoh. Bevor er uns heimfuhr besuchten wir eine biologische Pomelofarm und unterhielten uns mit der Besitzerin. All das war nicht genug und wir wurden zum ersten "Ipoh Heritage Walk", einer Testveranstaltung für das zukünftige Tourismusprogramm, am nächsten Morgen eingeladen. Dort waren wir unter 100 Leuten, die sich aus Lehrern, Professoren, interessierten Einheimischen und Angehörigen und Vertretern sämtlicher Torismusvereine zusammensetzten, die einzigen 2 Touristen. Wir waren einfach dabei. Auch beim anschließenden Lunchbuffet, selbstverständlich kostenlos, und beim Fotoshooting für die Zeitungen. Ich mußte in meinem völlig verschwitzten T-Shirt, neben dem Tourismuspräsidenten auch noch den Werbebanner halten. Meine Position war dabei genau die in der Mitte. Selbstverständlich gaben wir gerne noch ein Interview der größten malaysischen englischsprachigen Tageszeitung. Um unsere Bustickets für den nächsten Tag zu kaufen, mußten wir noch zum Bahnhof. Dass ein netter Yale-Absolvent uns nicht nur dorthin chauffierte, sondern auch noch im Auto auf uns wartete um uns anschließend vor unserer Haustür abzulierfern brauche ich wohl kaum noch erwähnen. Hammer. Danke nochmal.
Noch eine. Wir standen im Zentrum Kuala Lumpurs an einer Starßenkreuzung, orientierungslos auf unsere Straßenkarte starrend, als wir von einem vorbeieilenden Anzugträger mittleren Alters angesprochen wurden. Er fragte uns, ob er uns helfen könnte. Erst schilderte er uns den von uns gesuchten Weg, dann gab er uns seine Email-Adresse mit dem Hnweis ihn jederzeit kontaktieren zu können, falls wir ein Problem hätten. Er war offensichtlich in großer Eile, was ihn nicht daran hinderte uns eine weitere Telefonnummer eines befreundeten Taxifahrers zu geben, nur für den Fall, dass wir einen vertrauenwürdigen Chauffeur benötigten. Das ganze hat maximal 2 Minuten gedauert. Eine weitere ganz normale Begegnung?
Alles so spektakulär. Vielleicht liegt es auch an uns. Wir sind cool. Aber Ihr macht es uns auch leicht cool und ausgeglichen Euch gegenüber zu treten. Wir spiegeln einfach Eure Art. Danke!

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Kommentare: 2
  • #1

    Klaus Mueller (Samstag, 11 April 2015 07:05)

    6 Wochen in Malaysia "gelebt" - na toll! Nach 10 Jahren kommt man zu anderen Beurteilungen...

  • #2

    lifeworldtokyo.com (Samstag, 11 April 2015 13:51)

    Lieber Klaus,
    ich habe diesen Bericht nach 6 Wochen geschrieben, insgesamt waren wir jedoch 4 1/2 Monate in Malaysia. Auch nach dieser Zeit beurteile ich das Land und seine Leute genauso.
    Es tut mir Leid wenn Du andere Erfahrungen gemacht hast. Meine Frage: Warum lebst Du 10 Jahre in einem Land in dem Du Dich scheinbar nicht wohlfühlst?

    Viele Grüße
    Sebastian