Bolivianos.

Die Zukunft der Welt liegt in den Händen unserer Kinder. Hoffentlich nicht in bolivianischen Kinderhänden. Wie nervenaufreibend, unerzogen, ja gar garstig Kinder sein können, wurde mir nirgends so bewußt, wie hier im schönen Bolivien. Kinder dürfen machen was sie wollen, und weil sie eben Kinder sind, machen sie auch was sie wollen. Meine persönlichen Highlights sind nicht im Einzelenen verdammenswert, nur die Masse und Selbstverständlichkeit wie diese toleriert werden, nötigen mich dazu diesen Schrieb zu verfassen.
Kinder in Bolivien - so scheint es in Großteilen zumindest - haben nie sprechen gelernt. Ihre Kommunikation basiert, wie im Säulingsalter schon eingeübt, hauptsächlich auf Brüllen. Diese kindliche Kakophonie, die Hotels, Restaurants, öffentliche Verkehrsmittel und das gesamte Leben auf der Straße mit einem kreischenden Soundtrack bereichert, lässt einen Schmunzeln und Schimpfen zugleich.
Nun zur körperlichen Belästigung. Bolivianische Kinder fassen Dich sehr gerne an. Auch das, im Einzelfall vielleicht noch süß, ist als tägliches Erleben äußerst unangenehm. Ob beim Warten in einer Schlange, beim Sitzen im Bus, beim Spazieren auf der Straße, ständig greift einem eine Kinderhand in den Schritt, ans Gesäß oder gar in die Taschen. Leider nicht immer aus reiniger Neugier, manchmal von den Eltern schon im Vorschulalter zum professionellen Taschendiebstahl motiviert.
Die Unerzogenheit peripitiert. Kaum auf eigenen Beinen, schon eine Waserbombe, eine Supersoaker (überdimensionale Wasserspritzpistole), oder zumindest eine Trinkwasserbeutel in der Hand. Bereit in den Kampf gegen Freund und Feind zu ziehen. Ohne Rücksicht auf Einbußen und naße Kleidung. Die offensichtlich weit über die Grenzen der Karnevalszeits hinausgehende Tradition des bolivianischen Jungvolkes ist so verbreitet, wie die geflochtenen Zöpfe der indigenen Frauen. Selbst vor dem Erwachsenenalter macht diese seit jüngster Kindheit antrainierte Tradition nicht halt. Unzählige Male wurden wir von Halbstarken aus vorüberrauschenden Pickups oder Geländewägen benäßt. Die Feigsten verstecken sich jedoch in höheren Stockwerken, hinter Schutzwällen aus Gardinen, und lassen die wassergefüllten Ballone einfach auf die Köpfe, der auf dem Trottoir trabenden Touristen fallen.
Irgendwie lustig und alles nicht so schlimm, wäre man nicht ständig selbst betroffen. Eigentlich nicht mal einer schriftlichen Beschwerde wert, wäre hinter diesem Übel nicht ein ganz anderes auszumachen. Das Übel der Eltern, Begleitpersonen und Schutzbefohlenen. Die heutigen Kinder sind nur die letzten Glieder einer langen genealogischen Kette. Einer langen unerzogenen Kette.
Erziehung beschränkt sich auf geschehen lassen, was immer auch kommen mag. Narrenfreiheit für den kleinen Bürger. Scheinbar grenzenlos und zu meinem großen Mitleidwesen. Infantile Tyrannei der Gesellschaft. Hegemonie der Zwerge? Nein, so weit geht es dann doch nicht. Die Mutter, meist alleine für die Aufzucht der Nachkommen verantwortlich, weis auch Grenzen aufzuzeigen. Das geschieht in der Praxis jenseits vernünftiger Grenzen, und wenn dann eben nur nach dem Überschreiten jener, mit Hilfe der Hand. Egal ob mitten ins Gesicht, geballt auf den Rücken oder damit "nur" klassisch den Arsch versohlt. Vieler Worte bedarf es dazu nie, erschreckenderweise meist gar keine. Der pädagogische Wert dieser Dressur ist mehr als fraglich. Die Kleinen ahmen die großen nach und schon die Siebenjährige weist mit der Hand den zweijährigen Bruder in die Schranken. Die Kinder verdreschen sich manchmal regelrecht in der Öffentlichkeit.
Das Brüllen setzt sich nach erfolgreicher Absolvierung des Säuglingsalters und der Adoleszenz im Erwachsenenalter fort. Brüllen ist Nationalsprache, egal ob auf Quechua, Aymara oder Spanisch, egal wo, weil immer und überall. Eine Gesellschaft brüllt sich an. Ein Land voller Schreihälse.
Weitere gesellschaftliche Ungepflogenheiten lassen sich vielleicht unter Nicht-Anwenden empathisch-ethischer Sozialregeln oder einfacher unter Vermeidung von höflichen Umgangsformen zusammenfassen. Beim Essen wird nie "Buen provecho" (Guten Appetit) gewünscht, beim Nießen nie "Salud" (Gesundheit) gesagt und nach dem einer einem auf dem Fuß getreten ist, darf man nie ein "Perdon" (Entschuldigung) erwarten. "Por favor" ("Bitte") macht den Anschein nur in der Schriftsprache zu existieren, beispielsweise als Aufforderung nicht zu rauchen. Im Leben auf der Straße kommt dieses Wort höchstens aus dem Munde eines Touristen.
Ha, jetzt aber der Witz an dieser Unsitte. Wünscht man selbst aber ein "Guten Appetit", "Gesundheit" oder entschuldigt sich, wird dies stets freundlich, beinahe glücklich aufgenommen. Es gefällt also offensichtlich. Der Bolivianer als ein weiterer Beweis, dass solche Verhaltensweisen nie angeboren, sondern immer erworben ist. Blöd sind die Bolivianos nicht, aber eben unerzogen. Haben es nicht anders gelernt.
Leider gehören viele der Unverschämtesten und Schlechterzogendsten auch der Gruppe der Ärmsten an. Die Ärmsten sind nun mal die Indigenen, und die stellen in Bolivien das Gros der Bevölkerung. Reminiszenzen und Zeugnisse einer schlechten Integration der indigenen Bevölkerung ins Schulsystem und Alltagswesen. Viele unter ihnen wissen es einfach nicht besser, manchmal können sie es vielleicht sogar nicht besser wissen. Denn die wirklichen Betrüger und Gangster rekrutieren sich oft aus der oberen Schicht, sind Mestizos oder Nachfahren der Konquistadoren. In der Realität wird der Reisende jedoch weit häufiger von bettelnden Kindern, bettelnden Frauen und bettelnden Männern belästigt, die zu häufig einfach unerzogen sind.
Das macht summa summarum die Bolivianer zur unfreundlichsten Bevölkerung unserer bisher in Südamerika bereisten Länder. Was auffällt in Südamerika ist der Abfall an Freundlichkeit von Nord nach Süd. Die Freundlichsten, da für kein Weg vorbei, das sind die Kolumbianer, gefolgt von der Mannschaft aus Ecuador, danach Peru und als Schlußlicht Bolivien. Hand in Hand mit diesem Abfall an Freundlichkeit geht die abnehmende Bildung, der Anstieg des indigenen Bevölkerungsanteils und der Armut einher. Leider. In Peru und im Besonderen in Bolivien sind viele noch nicht im Heute angekommen und werden es wahrscheinlich auch nie tun. Ich sehe jedenfalls kein Bemühen, obwohl in Bolivien mit Evo Morales der einzige Indigene in Südamerika ein Land regiert. Hört sich alles sehr hart an, aber dass sind meine Erfahrungen und ich überlasse es anderen über Partynächte mit anderen Europäern, tagelange geführte Treks in den Bergen und Pferdeausritten zu indigenen Dörfern zu schwärmen.

Ich erlebe ein anderes Bolivien, ein Bolivien mit vielen Problemen. Diese lassen sich natürlich nicht ausschließlich auf die schlechte Erziehung und niedrige Bildung zurückführen, aber... komm doch einfach mal rüber und bleib ein paar Wochen hier. Es lohnt sich :)

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